"Berufsschule Neumarkt im Gespräch mit Dr. Schmid."

"Den Homo migrans gibt es, seit es den Homo sapiens gibt"

Die Staatliche Berufsschule Neumarkt setzte ihre, im Juni 2009 begonnene Veranstaltungsreihe: „Berufsschule Neumarkt im Gespräch mit ..." am 07. Juli 2010 fort.

Ziel dieser Reihe ist es, in unregelmäßigen Abständen, zu aktuellen regionalen Themen, kleinere Veranstaltungen durchzuführen.

Dieses Mal wollten wir mit Herrn

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Dr. jur. Albert Maximilian Schmid,
Staatssekretär a.D.,

ins Gespräch kommen. Herr Dr. Schmid ist Präsident des „Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge" in Nürnberg.

Wir versprachen uns von dieser Veranstaltung eine Auseinandersetzung mit dem Thema Migration bzw. eine weitere Vernetzung der Akteure der beruflichen Bildung am Standort Neumarkt, mit Fragen die unsere unmittelbare regionale Zukunft betreffen.
Gleichzeitig erhofften wir uns von dieser Veranstaltung inhaltliche Anregungen, an denen wir dann im Unterricht anknüpfen können.
Um dabei bestehende Chancen und Herausforderungen herauszuarbeiten, und damit begreifbar zu machen, wollten wir durch diese Informationsveranstaltung den Schülerinnen und Schülern das Thema Asyl/Migration über eine differenzierte Darstellung auf lokaler Ebene näher bringen.
Daneben war es uns wichtig, unser Projekt "Schule ohne Rassismus" voranzutreiben.

Obwohl an unserer Schule sehr viel unterschiedliche Nationen unterrichtet werden, fehlt oft das Verständnis für die jeweiligen Flucht- bzw. Migrationhintergründe der einzelnen Gruppe. Ebenso sind die Kenntnisse bzgl. den Asylregelungen nur sehr lückenhaft vorhanden.

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Was uns hier sehr am Herzen liegt, ist das Verständnis der Schüler und Schülerinnen für Migranten bzw. Flüchtlinge zu gewinnen bzw. zu fördern.

Im Schuljahr 2009/10 sind bei uns 89 Schüler mit 20 unterschiedlichen ausländischen Staatsangehörigkeiten an der Schule. Die Palette erstreckt sich von Österreich über Kasachstan, Thailand und USA bis nach Brasilien.
Die Schüler, die zwar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, aber ebenfalls einen Migrationshintergrund aufweisen, kommen noch dazu. Geht man ein paar Generationen zurück, wird man in fast jeder "deutschen" Familie Personen mit Migrationshintergrund finden.
Folgende Programmpunkte standen am 07. Juli auf der Tagesordnung:

11:00 Uhr bis 11:30 Uhr Begrüßung durch die Schulleitung, Pressegespräch mit Dr. Schmid
11:30 Uhr bis 12:00 Uhr Lebenswelten jugendlicher Migranten, Projektvorstellung „Diverse City" durch Oliver Schmidt: Gespräch mit jungen Migranten der Berufsschule
12:05 Uhr bis 13:00 Uhr Impulsreferat Dr. Albert Schmid: "Migration im 21. Jahrhundert – was geht uns das an?", Gespräch mit ausgewählten Klassen

Nach dem Pressegespräch (Pressebericht s.u.) fand ein Gespräch mit jungen Migranten der Berufsschule Neumarkt statt. Hier erzählten die Schüler von Ihren Problemen beim Integrationsprozess, aber auch von Ihren Chancen, die sie für sich in Deutschland sehen. Herr Dr. Schmid betonte dabei die Wichtigkeit der Institution Schule als Ort der Integration.
Bei der Frage nach der Unterstützung einer Nationalmannschaft bei der zur Zeit stattfindenden Fußballweltmeisterschaft wollte ein Schüler nicht preisgeben, ob er für die USA oder für Deutschland die Daumen drücke.
Ergänzt wurden diese Aussagen zur persönlichen Sicht der Integration durch einen Studienreferendar mit Migrationshintergrund, der die Wichtigkeit einer Sozialisation zusammen mit einheimischen Jugendlichen betonte.
Bei der anschließenden Veranstaltung mit Schülern aus unterschiedlichen Klassen begrüßte Herr OStD Albert Hierl Herrn Dr. Schmid nochmals kurz und gab seiner Freude Ausdruck, dass der Termin zustandgekommen ist und Herr Dr. Schmid, gebürtig in Laaber, wieder in seine Heimat zurückgefunden habe.
„Den ‚Homo migrans' gibt es, seit es den ‚Homo sapiens' gibt"
Mit diesen Worten begann Herr Dr. Schmidt sein ca. 30-minütiges Referat vor knapp 100 Bankkaufleuten, Kraftfahrzeugmechanikern, Werkzeugmachern und interessierten Lehrerkollegen.

Im Folgenden einige inhaltliche Schlaglichter:

· Bei offenen Grenzen ist Migration eine Realität, die zu steuern und zu gestalten politische Aufgabe ist, die aber keinesfalls negiert und durch Grenzen und Mauern verhindert werden kann.

· Im Zeitalter der Globalisierung haben weltweite Wanderungsbewegungen zugenommen - daraus ergeben sich Chancen und Herausforderungen.

· Es gibt fünf Hauptfaktoren der Migration, die häufig interdependent sind:
1.) Ökonomische Faktoren
2.) Politische/gesellschaftliche Faktoren
3.) Demographische Entwicklung
4.) Ökologische Faktoren
5.) Soziale Netzwerke

· 15,4 Mio. Menschen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund (ca. 20% der Bevölkerung). Davon verfügen 10,5 Mio. über eigene Migrationserfahrungen.

Hauptherkunftsländer:

§ Türkei: rund 2,5 Mio. Menschen (16,4%)
§ Italien: rund 776.000 Menschen (4,9 %)
§ Polen: rund 638.000 Menschen (4,1 %)
§ Russische Föderation: rund 561.000 Menschen (3,6 %)
§ Griechenland: rund 385.000 Menschen (2,5 %)

· Am 31.12.2009 waren ca. 6,698 Mio. Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Ausländerzentralregister (AZR) registriert, davon 35% aus der EU, was einem Anteil von ca. 8,3 % an der Gesamtbevölkerung entspricht.

Hauptherkunftsländer:

§ Türkei: rund 1,7 Mio. Menschen (25 %)
§ Italien: rund 520.000 Menschen (8 %)
§ Polen: rund 400.000 Menschen (6 %)
§ Serbien 310.00 Menschen (5 %)
§ Griechenland 290.000 Menschen (4,3 %).

Fazit

  • Migration ist für unsere wirtschaftliche und demografische Zukunft in Deutschland unverzichtbar.
  • Internationale Mobilität sollte als Chance für die menschliche Entwicklung und die Reduzierung von Armut in den Herkunftsgesellschaften begriffen werden.
  • Integration wird möglich durch Teilhabe. Voraussetzung dafür sind auf Seiten der Migranten: Bildung, Sprache und auf Seiten der Mehrheitsgesellschaft: Öffnung und Akzeptanz. Das bedeutet, Respekt vor Identität aber auch Forderung nach Identifikation.
  • Integration ist ein vielgestaltiger gesellschaftlicher Prozess, der - streng genommen - nie beendet ist, da eine (Aufnahme-) Gesellschaft nie einen Endzustand erreichen wird. Kulturelle Vielfalt ist also keine Feststellung eines (statischen) Zustandes, sondern zentrale Gestaltungsaufgabe unserer Gesellschaft

Wir hoffen durch unsere Einladung an Herrn Schmid aus dem Bundesamt zu flüchten, wobei wir quasi als Fluchthelfer dienten, einen kleinen Beitrag zur Verbesserung des Wissens über Migration und Integration an unserer Schule geleistet zu haben.

Davon abgesehen kann es nur von Vorteil sein, wenn regionalen Institutionen, auch wenn sie in einem anderen Regierungsbezirk liegen, eng zusammenarbeiten, um jungen Leuten, die zum überwiegenden Teil am Ende ihrer Schulzeit stehen, möglichst viel Informationen mitzugeben, damit sie nicht den einfachen Rezepten radikaler Parteien folgen.

Herzlichen Dank an Herrn Dr. Schmid für den Besuch an unserer Berufsschule, den er trotz eines vollen Terminkalenders sofort zugesagt hatte.

Trappe
Sozialkundefachbetreuer

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