Neumarkt: Seenotrettung am Beruflichen Schulzentrum (2)

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Im Rahmen der „Woche gegen Rassismus“ durften wir am Mittwoch, kurz nach dem Weltflüchtlingstag Frau Hu und Frau Luther vom Verein „Sea-Eye“ aus Regensburg in der Berufsschule Neumarkt begrüßen. Frau Hu und Frau Luther arbeiten ehrenamtlich für den Verein „Sea-Eye“ und waren gekommen, um uns über die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer zu informieren.

Dass dieses Thema sehr aktuell ist, man möchte fast sagen, leider fast täglich aktuell ist, konnte man erst vor einer Woche wieder in den Printmedien lesen, als in einem kurzen Artikel der Tageszeitung von einem Flüchtlingsboot berichtet wurde, das vor der griechischen Küste gesunken war und infolgedessen wahrscheinlich 500 Menschen ertrunken seien. Ob das andere soziale Medien, die Hauptmedien unserer Schüler, meldeten, entzieht sich der Kenntnis des Verfassers.

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Deutlich mehr Aufmerksamkeit erhielt diese Woche allerdings ein Tauchboot mit fünf inzwischen verstorbenen Passagieren, die das Wrack der „Titanic“ erkunden wollten. Die Welt war diese Woche voll besorgter Mitmenschen, weil fünf reiche Abenteurer in einem provisorischen Tauchboot auf dem Weg zur „Titanic“ havarierten, gleichzeitig ertranken über fünfhundert Menschen im Mittelmeer ohne diesen medialen Aufschrei. 5 gegen 500? Kann man Betroffenheit mit medialem Gewicht gleichsetzen? Ist dieser Vergleich legitim?

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Die wahren Tragödien im Mittelmeer werden aber, unabhängig von diesem Vergleich, schnell vergessen, man scheint sich daran gewöhnt zu haben, dass im Mittelmeer Flüchtlinge ertrinken (müssen). Einzelne Bilder von ertrunkenen Flüchtlingen wie das Bild des dreijährigen Alan Kurdi, der 2015 an einem Strand im türkischen Bodrum angespült wurde, wecken in uns ein kollektives Gefühl der Empathie und vermitteln eine Ahnung einer bitteren Realität, die wir sonst lieber ignorieren. Fast die Hälfte aller Flüchtlinge weltweit sind laut Unicef inzwischen Kinder.

Wer weiß, dass allein seit dem Jahr 2014 mehr als 27.000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken sind? Was sagt das über uns? Welche Verantwortung tragen wir für das Versagen im Mittelmeer? Wie verhindern wir politisch und praktisch, dass so viele Menschen ertrinken? Das alles waren Fragen, auf die wir in der Veranstaltung spontan keine Antworten fanden, die uns aber bewusst machten, dass unsere Wahrnehmungen von Tragödien sehr selektiv und in ihrer Gewichtung höchst unterschiedlich sind.

Auch wegen dieses Ungleichgewichts in der Wahrnehmung ist die Arbeit von „Sea-Eye“ wichtig, neben dem eigentlichen Auftrag, nämlich dem Retten von Menschenleben, tragen die Aktivisten dazu bei, das Bewusstsein der europäischen Bevölkerung immer wieder für diese menschlichen Tragödien wach zu halten.

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Nachdem Frau Hu uns die Inhalte der lokalen Arbeit in Regensburg vorgestellt hatte, konnten wir den Kinofilm „Route 4“ ansehen, der sich mit sehr unterschiedlichen Aspekten von Fluchtgeschichten aus Afrika über das Mittelmeer beschäftigte. Stichworte dazu waren: Minderjährige Flüchtlinge, Gefahren, Versklavung, Ausbeutung, Vergewaltigung, Grenzübertritte, Tod, Schlepper, europäische Asylpolitik und ….

Gegen Ende der Veranstaltungen gab es noch die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Die häufig gestellte Frage, ob man mit der Rettung von Flüchtlingen aus Seenot nicht noch mehr Flüchtlinge anlocke, konterte Frau Hu mit der Gegenfrage, ob man denn nicht auch ein Kind im Schwimmbad vor dem Ertrinken rette, ob das nicht die Pflicht von jedem Menschen sei, ob nicht jeder Mensch das Recht auf Leben habe. Und nur darum gehe es dem Verein „Sea-Eye“ bei seiner Arbeit - Flüchtlinge in Seenot vor dem Ertrinken zu retten.

Vielen Dank Frau Hu und Frau Luther, wir sind auch noch nach dieser Veranstaltung zu diesem Thema intensiv im Gespräch gewesen, nicht immer einer Meinung, aber reflektierend!

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